Konjunktur: Industrie zieht Deutschland in die Rezession
Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland befindet sich seit Herbst 2018 in einem konjunkturellen Abschwung. Ursachen sind vor allem die Rückgänge im Welthandel und Schwierigkeiten in wichtigen Abnehmerbranchen wie der Automobilindustrie.
Die aktuelle Entwicklung bestätigt dabei die konjunkturelle Vorreiterrolle der Branche: Nachdem zunächst die gesamte Industrie einen Konjunktureinbruch erlitten hat, sagen die neuesten Prognosen der Forschungsinstitute nun voraus, dass die deutsche Wirtschaft insgesamt im dritten Quartal 2019 in die Rezession abrutschen wird.
Einnahmen der Unternehmen sinken
Die Umsätze der Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie werden 2019 um rund 5 Prozent sinken. Im ersten Halbjahr lag der Rückgang bereits bei 4 Prozent. Damit kommt weniger Geld in die Kassen der Betriebe. Bezogen auf die Zahl der Beschäftigten liegen die Umsätze damit in diesem Jahr auf demselben Niveau wie 2010. Von den Einnahmen müssen Rohstoffe und Energie, Materialkosten, Investitionen in Maschinen und Anlagen, Steuern und Abgaben, Gewinnausschüttungen und natürlich auch die Arbeitskosten für die Beschäftigten bezahlt werden. Somit sind in diesem Jahr schon die bisherigen Arbeitskosten nur zu tragen, wenn für andere Kostenblöcke weniger ausgegeben wird als in den Jahren zuvor. Steigen die Arbeitskosten weiter, wird dieser Verteilungskampf in den Betrieben noch schärfer. Investitionen in die Zukunft müssen zurückgestellt oder auch der Abbau von Arbeitsplätzen geprüft werden.
Tarifentgelte um 26 Prozent gestiegen
Während sich die Einnahmen je Beschäftigten in den Unternehmen wieder auf demselben Niveau wie 2010 befinden, und real somit sogar gesunken sind, liegen die Tarifentgelte in der chemisch-pharmazeutischen Industrie inzwischen um gut 26 Prozent höher. Auch nach Abzug der Preissteigerungen haben die Mitarbeiter in den Unternehmen der Branche in dieser Zeit ein reales Einkommensplus von rund 15 Prozent erzielt. Hinzu kommen eine Vielzahl von Einmalzahlungen sowie neue tarifliche Zusatzleistungen.
Prognosen schmelzen dahin
Noch vor einem Jahr war Optimismus beim Blick auf die konjunkturelle Entwicklung die vorherrschende Stimmung. Für 2019 und später dann auch für 2020 wurde ein weiterhin solides Wirtschaftswachstum prognostiziert. Dabei wurden die Risiken aus Handelskriegen, Problemen der Automobilindustrie, der Lage am Persischen Golf, dem Brexit und vielem mehr durchaus gesehen. Aber die Erwartung war, diese würden auf die seit Jahren robuste Konjunktur in Deutschland nicht durchschlagen. Die Realität sieht anders aus: Die Risiken haben sich massiv auf die deutsche Wirtschaft ausgewirkt, insbesondere auf die Industrie. Dementsprechend wurden die Prognosen sowohl für 2019 wie auch für 2020 immer wieder und immer weiter nach unten korrigiert. Mit den im September veröffentlichten ersten Herbstprognosen der Forschungsinstitute hat sich dieser Trend beschleunigt.
Keine Aussicht auf schnelle Besserung
Für 2019 wird nun allgemein nur noch ein BIP-Wachstum von 0,5 Prozent erwartet. Und dies wird ausschließlich vom Bausektor und Dienstleistungsbereichen getragen. Aus der Industrie kommt 2019 kein positiver Beitrag; sie befindet sich bereits in der Rezession. Und auch der Ausblick für 2020 wird nun durchgehend kritisch gesehen. Aus dem zunächst als Delle in der Konjunktur eingeschätzten Einbruch der wirtschaftlichen Entwicklung im ersten Halbjahr 2019 wird damit ein handfester Abschwung. Die Wachstumsrate der deutschen Volkswirtschaft soll 2020 nur noch gut 1 Prozent betragen.
Das sieht mehr aus als 2019, ist es aber kaum: Nicht nur, dass die Erwartungen vor wenigen Monaten noch im Bereich oberhalb von 1,5 Prozent lagen und damit ebenfalls dahingeschmolzen sind; etwa 0,4 Prozentpunkte der erwarteten Steigerung in 2020 geht nur auf die geringe Anzahl von Feiertagen zurück. Damit bleibt unterm Strich ähnlich wie 2019 auch im kommenden Jahr nur ein minimales Wachstum von einem halben Prozent übrig. Und diese Prognosen gehen wie vor einem Jahr wieder davon aus, dass sich Handelskriege, Brexit-Sorgen oder der Konflikt am Persischen Golf nicht noch einmal weiter verschärfen. Falls doch, wäre auch dieses Mini-Wachstum für 2020 wohl noch zu optimistisch gedacht.