Entgelt und Arbeitszeit — beide Themen werden die Chemie-Tarifrunde 2012 prägen. Während die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) ihren Schwerpunkt auf eine Erhöhung der Löhne um 6 Prozent legt, stellen die Arbeitgeber die Antwort der Branche auf die demografische Herausforderung an die Spitze der Tarif-Agenda.
Entgelt und Arbeitszeit — beide Themen werden die Chemie-Tarifrunde 2012 prägen. Während die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) ihren Schwerpunkt auf eine Erhöhung der Löhne um 6 Prozent legt, stellen die Arbeitgeber die Antwort der Branche auf die demografische Herausforderung an die Spitze der Tarif-Agenda. Die Zielsetzung lautet: länger arbeiten, flexibler arbeiten.
Demografie auf der Agenda
Die IG BCE hat ebenfalls erkannt, dass die Zeit drängt: „Der demografische Wandel hat die Betriebe voll erfasst“, heißt es in ihrer Mitte Februar veröffentlichten Forderungsempfehlung. Zugleich warnt jedoch IG BCE- Tarifexperte Peter Hausmann: „Eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche wird es mit uns nicht geben.“
Aus Sicht der Arbeitgeber geht es darum, „den notwendigen Mentalitätswandel jetzt zu forcieren, um Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze langfristig zu sichern”, betont BAVC-Verhandlungsführer Hans-Carsten Hansen. „Wir müssen länger arbeiten und wir müssen flexibler arbeiten. Die Tarifparteien sind gemeinsam in der Pflicht, die Branche zukunftsfest zu machen. Deshalb müssen wir uns noch intensiver mit dem Megatrend Demografie auseinandersetzen als bisher.“
Länger arbeiten, flexibler arbeiten
Allein in den letzten 10 Jahren ist der Anteil der über 50-jährigen Beschäftigten in der Chemie von 22 Prozent auf fast 30 Prozent gestiegen. „Da immer weniger junge Fachkräfte nachrücken, müssen die vorhandenen Mitarbeiter länger arbeiten. Es geht künftig nicht mehr darum, möglichst frühzeitig auszuscheiden, sondern möglichst lange leistungsfähig im Betrieb zu bleiben. Frühverrentung ist ein Modell von gestern, das für den Chemie-Standort Deutschland heute nicht mehr passt“, so der BAVC-Verhandlungsführer.
Arbeitszeit im Fokus der Arbeitgeber
„Der entscheidende Hebel ist die Arbeitszeit“, konkretisiert Hansen. Mehr Flexibilität für die Beschäftigten in unterschiedlichen Lebensphasen müsse ermöglicht werden durch mehr Flexibilität für die Unternehmen, etwa durch die Verlängerung der tariflichen Arbeitszeit. Hansen: „Muss das erforderliche Arbeitszeitvolumen auf weniger verfügbare Köpfe verteilt werden, wird die Arbeitszeit länger. Deshalb brauchen wir mehr Differenzierung und Flexibilisierung bei der Arbeitszeit.“
Tarifpolitischer Handlungsbedarf
Die Arbeitgeber wollen zudem altersbezogene Tarifregelungen auf den Prüfstand stellen, z.B. Altersfreizeiten ab 55 und die Verdienstsicherung ab 50. „Gerade bei den Altersfreizeiten besteht tarifpolitischer Handlungsbedarf“, erklärt BAVC-Verhandlungsführer Hansen. Laut Chemie-Tarifvertrag verkürzt sich die Arbeitszeit für Beschäftigte im Schichtdienst ab 55 um 3,5 Stunden pro Woche, für alle anderen ab 57 um 2,5 Stunden.
Hansen: „Wir müssen weg von Pauschalregelungen, die jeden über 50 als ‚alt‘ abstempeln. Unsere Geschäftsgrundlage hat sich fundamental geändert: Menschen über 50 sind heute wesentlich fitter als früher. Zudem sind die Altersfreizeiten in einer Zeit entstanden, als es mehr Mitarbeiter als Arbeit gab. Schon bald gibt es mehr Arbeit als Mitarbeiter. Wir brauchen unsere guten Leute im Werk, nicht zu Hause.“
Realismus statt 6 Prozent
Ihre Forderung nach 6 Prozent mehr Lohn begründet die IG BCE mit dem hohen Produktionsniveau und den angeblich guten Aussichten der Branche. IG BCE-Chef Michael Vassiliadis: „Viele Chemie-Betriebe strotzen vor Kraft. Die Wettbewerbsfähigkeit hat ein außerordentlich hohes Niveau erreicht.“
Mittlerweile haben sich die Aussichten für die Chemie jedoch signifikant eingetrübt: Für 2012 erwartet der Verband der Chemischen Industrie (VCI) statt 2 nur noch 1 Prozent mehr Umsatz. Die Produktion wird bestenfalls stagnieren (siehe Seite 6). Aus Sicht der Arbeitgeber ist daher „Realismus“ die Richtschnur für die Chemie-Tarifrunde 2012.
„Wir haben eine gemeinsame Verantwortung für die Zukunft der Branche. Deshalb gehen wir davon aus, dass wir 2012 einen Abschluss erzielen, der den wirtschaftlichen Realitäten entspricht', unterstreicht BAVC-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Goos. „Zu diesen Realitäten gehören auch die konjunkturelle Abschwächung, die Unsicherheit durch die Schuldenkrise und die hohe Volatilität in den Märkten.'
Fahrplan Tarifrunde 2012
Die Chemie-Tarifverhandlungen beginnen Mitte April mit der regionalen Verhandlungsrunde:
17. April Hessen
18. April Rheinland-Pfalz
19. April Nordrhein
20. April Baden-Württemberg
23. April Bayern
24. April Nord
24. April Nordost, Berlin West
25. April Saarland
26. April Westfalen
Die erste Verhandlungsrunde auf Bundesebene findet am 7. Mai 2012 in Hannover statt, die zweite am 23. und 24. Mai 2012 in Neuss.